„Haltung und Fütterung“ – wie sieht der Umgang mit Tier und Natur in der Schweiz aus?

Vergangene Woche fand am Donnerstag, 09. November 2017 der Tierwohl-Gipfel im wunderschönen bernerischen Bütikofen statt. Die Branchenorganisation vonn der Schweizer Fleischwirtschaft, Proviande, lud zum Medienevent und bei diesem äusserst spannenden und wichtigen Thema konnte ich mir das nicht entgehen lassen.

So ging ich am Morgen um 06.10 los Richtung Bern. Die Zugfahrt konnte ich nutzen, um spannende Podcasts zu hören und mich gedanklich schon mal auf das Kommende vorzubereiten. Was mich da wohl erwarten würde? Für mich war das eine tolle Gelegenheit – denn wann hat man als Konsument schon mal die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu schauen?

Der Tierwohl-Gipfel

Bevor es mit den Fach-Vorträgen losging, wurden wir erst einmal vom Bauern vor Ort und vom Chef der Proviande begrüsst und zu einer kleinen Stärkung mit Kaffee und kalten Platten eingeladen.

Anschliessend legten bereits die ersten Redner mit ihren Vorträgen los; dazu gehörten Thomas Jäggi vom Schweizerischen Bauernverband, Kaspar Jörger vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Samuel Geissbühler von der UFA AG und Cesare Sciara vom Schweizerischen Tierschutzverband. Bauern, Bund, Wirtschaft und Tierschutz alle an einem Anlass vereint. Was da wohl dabei rauskommt?

Wie steht es um die Schweizer Landwirtschaft?

Eine Besonderheit der Schweizer Landwirtschaft ist, dass der Bund mit Auslaufprogrammen Anreize für die Bauern schafft, für mehr Auslauf bei den Tieren zu sorgen, als es gesetzlich vorgeschrieben wäre. Durch solche Tierwohlprogramme wie dem BTS und dem RAUS wird dafür gesorgt, dass der zeitliche und arbeitstechnische Mehraufwand der Bauern, die sich um den zusätzlichen Auslauf ihrer Tiere bemühen, auch finanziell entschädigt wird.

Über 50% der Rinder und Schwein und sogar über 90% der Hühner werden im Rahmen des BTS-Auslaufprogramms gehalten.

Beim RAUS-Programm sind es über 80% der Rinder, 50% der Schweine und über 35% aller Hühner, die anhand der RAUS-Bedingungen gehalten werden.

Tierische Produkte aus der Schweiz haben zwei große Vorteile: Den Nutztieren in der Schweiz wird kein GVO, also kein gen-manipuliertes Futter verfüttert UND es darf kein Antibiotika als Präventivmaßnahme eingesetzt werden!

Auch wenn wir in der Schweiz eines der strengsten und fortschrittlichsten Tierschutzgesetze der Welt haben, gibt es da dennoch noch einiges an Verbesserungspotential. Ein wichtiger Faktor dabei stellen die Labels dar, mit denen die Bauern sich und ihre Produkte von den gesetzlichen Mindest-Standards abheben können. Der Label-Anteil ist aber am Verzehr gemessen, noch eher klein:

Eines lässt sich aber doch sagen: Wir Schweizer sind schon kleine Fleischtiger 😉 Obschon der Konsum in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Das sieht man auch am Strukturwandel in der Schweizer Landwirtschaft – der Trend geht deutlich weg von der Nutztierhaltung.

Das Schweizer Tierschutzgesetz

Anschliessend kam ein spannender Bericht von Kaspar Jörger zum Thema Tierschutzrecht. Das erste Tierschutzgesetz wurde bereits 1981 verabschiedet! Das ist insofern bemerkenswert, wenn man vergleicht, dass zum Beispiel die berufliche Vorsorge 1985 gesetzlich verankert wurde – das Frauenstimmrecht wurde zum Beispiel erst 1991 (!!!) im letzten Kanton durchgesetzt!

So hat die Schweiz zum Beispiel Tierhöchstbestände festgelegt, es gibt strenge Prüf- und Bewilligungsverfahren von Stallsystemen, damit sich Tiere nicht verletzen können und die gesetzlichen Mindestvorschriften eingehalten werden.

Da im Gesetz ein Mindestauslauf für ein Rind bei 90 Tagen im Jahr liegt, ist es für uns als Konsumenten wichtig, zu den Labelprodukten zu greifen, da diese viel mehr Auslauf fordern und stärker auf die Fütterung und Haltung achten!

Wie steht es um die Fütterung der Nutztiere?

Die Tierfütterung in der Schweiz hat drei große Pluspunkte zu verzeichnen: 86% aller Futtermittel stammen aus der Schweiz, es werden viele Lebensmittelabfälle, die für uns nicht verwertbar sind, als Raufutter an die Nutztiere (hauptsächlich Schweine) weiterverfüttert, wodurch der Foodwaste stark reduziert wird. Und: sämtliches Futter ist GVO-frei, also nicht gentechnisch verändert.

Grundsätzlich setzt sich das Futter wie folgt zusammen:

Zum Grundfutter gehört das Raufutter, also Gras, Mais, Zuckerrüben, Brotabfälle und so weiter. Dazu kommt sogenanntes Ergänzungsfutter. Es wird angepriesen, um eine Mangelernährung bei den Tieren zu verhindern – dennoch steht gross und fett als Titel die wahre Absicht: Effizienz. Also die Tiere so rasch und so günstig wie möglich fett zu kriegen.

Diese Tendenz ist äusserst fragwürdig in meinen Augen. Natürlich verstehe ich, dass es immer mehr Menschen gibt, die immer mehr Fleisch und tierische Produkte konsumieren. Aber zu welchem Preis? Wenn wir nur auf die Effizienz achten, leiden nicht nur die Tiere, sondern auch wir, weil die Qualität des Fleisches und der tierischen Produkte extrem leidet (inwiefern die Fütterung und Haltung die Qualität des Fleisches und die tierischen Produkte beeinflusst, folgt noch ein ausführlicherer Artikel).

Zusätzlich dazu wird Soja importiert. Die Firma UFA AG lobt sich, dass der Soja selbstverständlich nicht genmanipuliert ist – aber es ist dennoch Soja. Ich frage mich: Wenn Soja viele Phytoöstrogene enthält, also sekundäre Pflanzenstoffe, die allerdings eine hormonelle Wirkung haben, und diese bereits bei uns direkt wirken – welchen Einfluss hat das dann auf uns, wenn wir das Soja indirekt über unsere tierischen Lebensmittel aufnehmen?

Eines steht fest: Soja ist nicht Bestandteil einer artgerechten Ernährung – weder für uns, noch für die Tiere.

Doch das Schlimmste und Erschreckendste für mich war folgende Aussage: Die FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) sagt: Es gibt keine sinnvolle Alternative zur intensiven Tierhaltung! Heisst: Fokus liegt ganz klar auf der Fütterungseffizienz. Und wenn das fettgedruckt auf der Tagesordnung steht, bedeutet das: Tier und Mensch leiden.

Abschluss

Anschliessend gab es dann noch ein leckeres Mittagessen, bei dem man sich gemütlich untereinander austauschen konnte. Dann wurden wir mit dem Car wieder nach Bern gebracht und dann ging es bereits wieder nach Hause…

Fazit

Wir als Konsumenten sind diejenigen, die den Markt noch irgendwie beeinflussen können. Es ist wichtig, dass wir den Herstellern zeigen, dass es uns nicht egal ist, was den Tieren vorgesetzt wird und wie sie behandelt werden. Denn als das landet schlussendlich bei uns auf dem Teller und in unseren Zellen.

Die Schweiz hat eindeutig Vorteile gegenüber dem EU-Markt und ist fortschrittlich – dennoch läuft die Tendenz in meinen Augen in die völlig falsche Richtung.

Der Anlass war aber dennoch grosse Klasse, denn es war eine unglaublich tolle Erfahrung. Ich fand es auch super, dass nicht nur einheitliche Stimmen eingeladen waren, die sich gegenseitig mit Lobgesang überhäuften, sondern auch kritische Stimmen (v.a. in Form von Cesare Sciara vom Schweizer Tierschutz) zugelassen waren und gefördert wurden.

Schlussendlich liegt es an uns, dass wir die Wahl treffen zwischen günstigem Fleisch oder hochwertigen Quellen, die nicht nur auf das Tierwohl achten, sondern auch auf die Qualität der Produkte, was wiederum uns zugute kommt.

Also, liebe Fleischesser: Ihr habt die Wahl. Wählt weise.

Alles Liebe,
Romina

Wer mehr darüber erfahren möchte, kann sich unter www.schweizerfleisch.ch/huf Schlau machen!

Romina Scalco

Romina Scalco hat nach unzähligen fehlgeschlagenen Diäten und gesundheitlichen Problemen mit Low Carb die Lösung für sich gefunden. Seit 2013 schreibt die Bloggerin und Buchautorin auf ihrem Low Carb Blog über eine Ernährung, die ganz nach dem Bauchgefühl geht, was Abnehmen mit Glücklichsein zu tun hat, wie du glücklicher sein und wie du gesunde Gewohnheiten in deinen Alltag implementieren kannst. Ihr Motto: Es gibt nicht DIE Ernährungsform für alle. Finde Deinen persönlichen Weg.

2 Gedanken zu „„Haltung und Fütterung“ – wie sieht der Umgang mit Tier und Natur in der Schweiz aus?“

  1. Liebe Romina
    Vielen Dank für diesen Artikel. Schön, dass Du am Tierwohl-Gipfel teilgenommen hast. Ich habe gar nicht gewusst, dass es so was gibt. Nur schade, dass die Schlussfolgerung dann doch nicht mehr viel mit Tierwohl sondern mit Fütterungseffizienz zu tun hatte…
    Ich wollte Dich fragen, ob Du ein bestimmtes Label im „normalen“ Laden (Migros, Coop…) hier in der Schweiz empfehlen kannst?
    Wenn wir gerade bei Labels sind, ist es wahr, dass man in der Schweiz keine Kerrygold Butter kaufen kann?
    Liebe Grüsse
    Eveline

    Antworten
    • Liebe Eveline

      Ja, das mit den Labels ist so eine Sache. Da ich mich noch nicht intensiv mit ihnen befasst habe, möchte und kann ich demzufolge auch noch keine Labels empfehlen. Ausser eines: Demeter: Das ist das höchste Label, das wir haben. Nur finden wir diese Produkte leider eher selten in Coop / Migros.

      Du kannst z.B. beim Fleisch zum Metzger gehen, da ist angeschrieben, ob das Fleisch aus Weidehaltung stammt oder nicht (oder den netten Metzger hinter der Theke fragen).

      Und ja, leider gibt es bei uns die Kerrygold-Butter nicht – aber „unsere“ Bio-Butter ist qualitätstechnisch sicher auch nicht ganz schlecht.

      Liebe Grüsse,
      Romina

      Antworten

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