Ein Interview mit… Karen Wiltner

Karen ist eine erfolgreiche deutsche Bloggerin und schreibt auf ihrem Blog living-keto.de regelmässig über ketogene Ernährung – auch im Zusammenhang mit Lipödem und Hashimoto. Mit ihrer wahnsinns Abnahme von knapp 50 Kilo und ihrem Weg inspiriert sie viele Menschen. Deshalb konnte ich mir ein Interview mit ihr nicht entgehen lassen. Viel Spass beim Lesen!

Ein Interview mit… Karen Wiltner

 

Liebe Karen

Du hast ja mit einem ordentlichen Krankheitspäckchen, mit dem die Schulmedizin sagen würde, dass du beim Abnehmen keine Chance hättest, trotzdem fast 50 Kilo abgenommen – darunter Hashimoto, Schilddrüsenunterfunktion und Lipödem.

Damit bist du für ganz viele Menschen (und für mich!) eine riesige Motivation!

Vielen lieben Dank, Romina! Ich persönlich denke ja immer noch, dass ich ja eigentlich gar nichts besonderes gemacht habe. Ich habe alles mögliche probiert und dann darüber geschrieben, weil mir dieses Schreiben selbst auf meinem Weg enorm viel geholfen hat. Umso mehr freue ich mich natürlich, dass ich mit all dem dann auch anderen helfen und motivieren kann. Das ist ein wunderbares Gefühl.

Und ja, die Liste meiner Krankheiten war wirklich sehr lang. Es gibt da ja noch einiges, worüber ich bisher nur in kleinen Nebensätzen oder gar nicht berichtet habe. Obwohl die Welt nun schon so viel von mir weiß, gibt es doch immer noch Themen wo ich überlege “erzähl ich das jetzt, oder doch nicht?”.

 

Wie sehr hat dich diese Reise, die du hinter dir hast, verändert? Hat sie dich überhaupt verändert?

Wenn ich so zurückblicke bin ich immer wieder erstaunt, welchen unglaublichen Wandel mein Leben doch genommen hat. Ich habe mich durch die Abnahme von knapp 50kg nicht nur körperlich verändert. Klar, ich bin fitter geworden, sehr viel sportlicher und kann grundsätzlich sehr viel aktiver am Leben teilnehmen, als das mit dem enormen Übergewicht jemals möglich gewesen wäre.

Die größte Veränderung ist jedoch eher die psychische. Wenn ich zurückschaue und mich mit meinem früheren Ich vergleiche, so bin ich jetzt ein völlig anderer Mensch. Ich habe jetzt ein Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein – wo ich früher noch nicht einmal wusste, was das eigentlich ganz genau ist. Noch vor Jahren war ich eher ein Schatten meiner Selbst.

 

Du hast mit einem Coach zusammengearbeitet, richtig? Wobei hat dir dein Personal Coach geholfen? Und wie?

Ja, über ein paar Wochen hatte ich mir Unterstützung von einem Personal Coach geholt. Das war noch bevor ich zur ketogenen Ernährung gekommen bin. Ich war damals in einer schwierigen beruflichen Situation, mitten in einem Burnout (dass das ein Burnout war, wusste ich damals allerdings noch nicht). Ich hatte Fressattacken und habe manchmal nicht wirklich verstanden, was da eigentlich in mir und mit mir passiert.
Ich wurde auf diesen Coach im Internet in einem Forum aufmerksam, wo er aus dem, was ich da geschrieben hatte, ziemlich treffsicher einige meiner wunden Punkte herausarbeitete. Das machte mich neugierig. Wir haben dann an vielen Themen gearbeitet, die nicht direkt etwas mit Ernährung oder Abnehmen zu tun hatten, und dennoch enorm wichtig sind. Und zwar ging es einfach um mich. Wer ich bin, als was ich mich sehe. Was mir im Leben wichtig ist, welche Werte mich antreiben und welche Ziele ich habe. Und ob meine Ziele denn überhaupt mit meinen Werten übereinstimmen. Das ist wichtig, denn sonst erreicht man irgendwelche Ziele und ist doch nicht glücklich.

Ich fand es sehr, sehr anstrengend, mich so intensiv mit mir selbst zu beschäftigen, es hat mir sehr viele tränenreiche Abende beschert. Es ging um Gedanken, Gefühle, Ängste, Blockaden, Träume und Erinnerungen. Und viele Erkenntnisse, z.B. warum ich manchmal wie ferngesteuert zum Kühlschrank ging, um mir dort alles kalorienhaltige Zuckerzeug in den Mund zu stopfen, was nur irgendwie da war. Ohne das steuern zu können. Und ich habe erkannt, dass ich mir mit meinem Gewicht eine sprichwörtliche Mauer um mich herum gebaut habe, um mich abzuschotten.

Diese Zeit hat alles weitere sehr stark beeinflusst, und auch jetzt denke ich noch gerne daran zurück.

 

Nach über drei Jahren bist du ja nach wie vor streng ketogen unterwegs. Was hast du vor deiner ketogenen Zeit ausprobiert, um endlich abzunehmen?

Oh, da gibt es sehr viel, auch vieles, worauf ich nicht sonderlich stolz bin. 2009 wog ich etwa 115kg, was bei einer Größe von 1,73m natürlich schon viel zu viel war. Damals war gerade Almased absolut “in”, ich habe in ganz vielen Internetforen von super Ergebnissen beim Abnehmen gelesen. Also hab ich das ausprobiert, und über viele Wochen hinweg drei dieser Shakes am Tag getrunken. Klar, es wird empfohlen, sich nur 14 Tage lang ausschließlich von diesen Shakes zu ernähren, aber seien wir doch mal ehrlich: Wenn es plötzlich mit dem Abnehmen funktioniert, machst Du das so lange, bis Du Dein Zielgewicht erreicht hast. Und so habe ich dann in 8-9 Monaten oder so 45kg abgenommen und wog 70kg.

Im Anschluss begann ich wieder normal zu essen, das heißt die ausgewogene Ernährung nach DGE, mit Kartoffeln, Reis, Nudeln und allem Drum und Dran. Und dreimal darfst Du raten, was passiert ist.
Ja, ein halbes Jahr später wog ich bereits wieder 115kg, und war noch dazu krank. Es wurde Hashimoto mit Schilddrüsenunterfunktion diagnostiziert, und ich bin mir sicher, dass das stark sojahaltige Almased sein Übriges dazu getan hat.

Bis Ende 2012 hatte ich dann auf mein bisheriges Höchstgewicht von 127,5kg zugenommen, und ich konnte irgendwie machen was ich wollte, ich konnte nicht abnehmen. Selbst ein nochmaliger Versuch mit Almased funktionierte nicht mehr.

Im Sommer 2013 hörte ich dann von “10 Weeks Body Change”, der 10-Wochen-Challenge von Detlef D. Soost. Eigentlich hatte ich ja den Kanal voll von all den Challenges, Diäten und so weiter. Irgendwann jedoch dachte ich so bei mir “Ach was solls, das probierst Du jetzt auch noch”.
Das Prinzip hinter 10wbc war damals eine Low Carb Ernährung mit vielen guten Fetten, allerdings auch mit vielen Hülsenfrüchten. Ich hatte in den 10 Wochen des Programmes tatsächlich 12kg abgenommen, danach noch weitere 6kg.

Doch auch da kam irgendwann der Punkt, wo es nicht mehr weiterging und ich mir wieder eine neue Strategie überlegen musste.

 

Wie bist du schlussendlich zur ketogenen Ernährung gekommen?

Zuerst versuchte ich zu verstehen, warum das mit 10wbc anfangs so gut funktionierte und nun plötzlich nicht mehr. Bei meiner verzweifelten Suche nach Antworten auf meine Fragen stieß ich dann im Internet auf die ketogene Ernährung, und plötzlich machte es “klick” im Kopf. Plötzlich hatte ich eine Erklärung, warum es mit Low Carb funktionierte. Man muss Fett essen, um Fett zu verlieren. So wie man Wasser trinken muss, um Wasser zu verlieren. Alles völlig logisch!

Und bei meinen eigenen Versuchen mit 10wbc ohne die Challenge dazu hatte ich immer ein wenig das Fett reduziert, denn ich hab ja gelernt: Fett macht fett. Nur das konnte es also sein. Also habe ich mich auf die ketogene Ernährung gestürzt und einfach angefangen.

 

Ist dir der Wechsel leicht gefallen?

Ja und nein. Durch 10wbc kannte ich das ja alles schon ein bißchen, aber doch war das mit Keto schon noch mal eine andere Hausnummer. Am Anfang hab ich eigentlich nur auf die Makroverteilung geachtet, und war da sehr oft überfordert. In jedem Buch, in jedem Blog und in jeder Facebook-Gruppe wurde etwas anderes geschrieben. Die einen meinten, ich würde zu viel essen, ich bräuchte unbedingt massig Defizit um abzunehmen, die anderen meinten, ich würde zu wenig essen, um gesund abnehmen zu können. Die einen meinten, es wäre zu viel “Schlabberkrams” (Mascarpone, Sahne usw.), und viel zu wenig Gemüse. Doch kaum aß ich Gemüse, bekam ich Verdauungsprobleme, und flog sogar aus der Ketose.

So richtig verstanden hab ich das alles nicht, und ich war ganz ehrlich total verunsichert. Wer hat denn nun recht, und wie macht man das alles richtig? So richtig fing es für mich erst an zu funktionieren, als ich all die vielen Ratschläge über Bord geworfen habe und mich nur noch drauf konzentrierte, dass es mir gut geht. Dass die Verdauung mitspielt, ich Energie habe für den Tag und ich mein Pensum auf Arbeit schaffe.

Ich musste schmerzlich lernen, dass der Weg von jemand anderem nicht mein Weg sein kann. Was für andere funktionieren mag, muss es nicht unbedingt auch für mich. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, und seine ganz persönliche Art der Ernährung.

 

Was waren so deine Anfängerfehler?

Mal hab ich nicht-ketokonforme Lebensmittel verwendet, nur um dann in FB-Gruppen erklärt zu bekommen, dass das ja nun gar nicht keto sei. Dabei war ich so stolz auf meine Kreation. Oder ich hab eben viel zu wenig Gemüse und viel zu viele Milchprodukte gegessen, weil ich nur auf Makros geschaut habe, und nicht darauf, ob da wirklich die richtigen Nährstoffe drin sind.

Ich denke, ich hab mindestens genauso viel falsch gemacht wie jeder andere, der mit der ketogenen Ernährung angefangen hat. Damals gabs auch noch nicht so viele Blogs und Gruppen, in denen man hätte lesen oder um Rat fragen können.

 

Machst du auch mal Ausnahmen oder kommt das für dich gar nicht in Frage?

Nein, ich mache inzwischen keine Ausnahmen mehr. Im ersten Jahr gab es das noch ab und zu, aber ich habe gemerkt, wie schwer es mir fällt, dann wieder in meinen Rhythmus zurückzufinden. Außerdem tat es mir auch körperlich gar nicht gut, so dass ich irgendwann beschloss, dass es mir das alles nicht wert ist. Und jetzt, nach drei Jahren, ist diese Art der Ernährung so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich gar nicht mehr anders kann. Wenn ich da mal eine Ausnahme brauche, mache ich mir was ketogenes Süßes, denn im Gegensatz zu früher bin ich absolut keine Naschkatze mehr.

Diese Ausnahmen waren für mich auch immer eine Kompensation eines anderen Bedürfnisses, zum Beispiel nach Nähe, Zusammensein, Geborgenheit, Liebe … als ich das erkannte, war es für mich sehr viel einfacher, auf Ausnahmen zu verzichten und die Bedürfnisse anders zu befriedigen. So habe ich dann auch meine Essstörung (Binge Eating) in den Griff bekommen.

 

Wie stehst du zu Nachbauten?

Anfangs hab ich ganz viel nachgebaut. Kuchen, Torten, Brote, Brötchen. Man ist ja damit aufgewachsen, dass das alles zu einer gesunden Ernährung irgendwie dazugehört, und ich fühlte mich irgendwie schlecht, wenn es bei uns kein Brot gab.

Inzwischen backe ich bis auf das Bäckerbrot in meinem Blog selten mal etwas. Das Bäckerbrot mag ich sehr, die vielen Ballaststoffe darin sind gut für den Darm. Es gibt nur alle paar Monate mal einen Kuchen, selten mal Kekse. Es gibt bei mir keine verarbeiteten Lebensmittel mehr, so dass ich wirklich alles selbst koche. Mit der ketogenen Ernährung verändert sich der Geschmackssinn so sehr zurück zum ursprünglichen, dass man diese ganzen Nachbauten irgendwann nicht mehr braucht.

Aber ich verstehe, wenn jemand ohne Nachbauten mit der ketogenen Ernährung nicht zurecht kommt. Es ist ein Prozess der Veränderung, und Nachbauten helfen auch dabei, sich vor anderen, hauptsächlich Nicht-Ketariern nicht dauernd erklären zu müssen.

 

Verrätst du uns dein (aktuelles) Lieblingsrezept?

Vielleicht erstmal die beiden Lieblingsrezepte meiner Tochter, sie ist 16 und ernährt sich jetzt auch seit einem Jahr ketogen. Schon von Anfang an war die Bacon Lasagne in meinem Blog ihr absoluter Favorit. Inzwischen darf ich da sogar Gemüse drin verstecken. Außerdem liebt sie die Mascarpone-Pfannkuchen als Sonntagsfrühstück.

Für mich darf es gerne mal ganz super einfach sein, mit gekochten Eiern, einer halben Gurke, etwas Paprika und einer Scheibe Brot mit ganz viel Butter drauf. Dazu einen BPC und der Tag kann starten. Was ich auch super gerne mag ist unsere Gemüsepfanne, mit allem möglichen klein geschnipselten Gemüse, frisch angebraten, dazu etwas Rindfleischgeschnetzeltes. Das nehme ich auch gerne mit auf Arbeit fürs Mittagessen.

 

Was würdest du jemandem raten, der so wie wir Hashimoto / Schilddrüsenunterfunktion und / oder Lipödem hat? Was wären die wichtigsten Punkte, die man unbedingt tun / berücksichtigen sollte, um abnehmen zu können?

In Bezug auf Hashimoto und Schilddrüsenunterfunktion ganz klar: Geh zum Arzt, lass die Werte regelmäßig überprüfen und Dich gut mit Medikamenten einstellen. Lass so viele Laborwerte wie möglich überprüfen, Vitamine, Mineralstoffe, Hormone. Beim Endokrinologen bekommst Du sehr viele Werte auch über die Krankenkasse bezahlt. Frag einfach danach!

Und dann starte mit der entzündungshemmenden ketogenen Ernährung. Finde heraus, welche (versteckten) Unverträglichkeiten Du hast. So brate ich ja inzwischen mein Gemüse aufgrund einer Fruktoseunverträglichkeit. Meide diese Lebensmittel oder finde eben andere Wege.

Kümmere Dich vordergründig um Deine Darmgesundheit, ein guter Heilpraktiker kann Dir da mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber auch viele andere Betroffene, die diesen Weg inzwischen gegangen sind. Ich habe bei mir im Blog ja auch schon über vieles geschrieben.

Und dann denk nicht vordergründig ans Abnehmen. Mit der ketogenen Ernährung ist das Abnehmen eine Nebenwirkung, wenn der Körper soweit ist. Hab Vertrauen, dass Dein Körper am besten weiß, welche Baustelle er als nächstes angeht. Diese Ernährungsumstellung auf Keto ist purer Stress für ihn, dazu muss er sich um viele Krankheiten kümmern. Da hat das Abnehmen für ihn nicht immer Prio 1.

Freue Dich über jede kleine Verbesserung, die Du an Dir und Deinem Körper bemerkst, und danke Deinem Körper für die Höchstleistungen, die er vollbringt. Es mag komisch klingen, doch genau das ist wichtig. Kämpfe nicht mehr gegen Deinen Körper, sondern geh den Weg mit ihm gemeinsam, wie mit einem guten Freund.

 

Sonst noch abschließende, motivierende Worte an meine Leser?

Wenn Du Dich fragst, wo man denn zum Beispiel so einen Coach finden kann, wie ich ihn damals hatte … Du hast mit Romina einen vor Dir. Sie kennt all die Themen, mit denen wir uns im Leben neben dem Abnehmen noch “herumschlagen”, und kann Dir auf Deinem Weg mit ihren Coaching-Angeboten helfen.

Wenn Du mal nicht weiter weißt, traue Dich zu fragen. In einer Facebook-Gruppe, bei den Bloggern, wo auch immer Du Dich wohl fühlst. Miteinander diesen Weg zu gehen ist immer einfacher, als ganz alleine zu sein.

Hab keine Angst vor Fehlern. Fehler sind dazu da, gemacht zu werden. Schlimm sind sie nur, wenn man nicht daraus lernt, und immer wieder den gleichen Fehler macht. Ansonsten hilft eigentlich nur eins: Nicht mehr so viel nachdenken und einfach anfangen. Das Leben genießen, auf den eigenen Körper hören und Leben.

 

Wo kann man mehr über dich erfahren?

Zum Beispiel in meinem Blog living-keto.de, auf meiner Facebook-Seite oder in meiner Facebook-Gruppe.

 

Liebe Karen, ich danke dir herzlich, dass du dir die Zeit dafür genommen hast 🙂 Du bist und bleibst eine grosse Inspirationsquelle!

Vielen Dank, liebe Romina! <3

Romina Scalco

Romina Scalco hat nach unzähligen fehlgeschlagenen Diäten und gesundheitlichen Problemen mit Low Carb die Lösung für sich gefunden. Seit 2013 schreibt die Bloggerin und Buchautorin auf ihrem Low Carb Blog über eine Ernährung, die ganz nach dem Bauchgefühl geht, was Abnehmen mit Glücklichsein zu tun hat, wie du glücklicher sein und wie du gesunde Gewohnheiten in deinen Alltag implementieren kannst. Ihr Motto: Es gibt nicht DIE Ernährungsform für alle. Finde Deinen persönlichen Weg.

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